In besonderer Begleitung
Zugegeben, die Idee klingt erst einmal ungewöhnlich. Aber so ein entspannter Spaziergang mit Alpakas durch den malerischen Spessart ist nicht nur ziemlich unterhaltsam, er ist auch gesund. Aber wo gibt’s denn sowas?
Snickers kommt mal wieder nicht in die Hufe. Langsam trödelt er zusammen mit seinem Kumpel Hase am Anfang der Karawane, die sich an diesem sonnigen Winternachmittag gemütlich durch die schönen Wälder des Spessarts schleppt. „Into the woods“ ist der Titel dieser ungewöhnlichen Wanderung mit Glühwein und weihnachtlichem Flair, die rund 5 Kilometer lang ist und in der Regel rund zwei Stunden dauert. Das heißt, wenn Snickers hin und wieder mal etwas Tempo aufnimmt und nicht ständig am Wegesrand nachschaut, ob nicht doch etwas Essbares zu finden ist. Snickers, das sollte man wissen, ist ein 2016 geborener braun-weißer Alpaka-Rüde mit hübschen blauen Augen und tiefenentspanntem, wenn auch noch etwas scheuem Wesen. Außerdem macht er seinem Namen alle Ehre, denn Snickers ist „extrem verfressen“, wie uns seine Halter wissen lassen. Okay, da wären wir vermutlich selbst darauf gekommen und hätten die Hilfe von Sabrina und Matthias Jahl nicht benötigt. Für alle anderen Fragen zum Thema „Alpakas“ ist das Ehepaar aus Rodenbach im osthessischen Main-Kinzig-Kreis allerdings eine kompetente Hilfe. 2009 machten die beiden erstmals – da noch als zahlende Gäste – eine Wanderung mit Alpakas. Sie waren sofort so verliebt in die wuscheligen Geschöpfe mit ihren langen Hälsen, dass sie beschlossen: Diese Tiere wollen wir züchten. „Alpakas sind edel, sie sind Clowns, sie machen Freude, sie reflektieren und spiegeln dich“ schreiben sie auf ihrer Website „Kunznickel Alpakas“, „du kannst sie nicht manipulieren oder deine Gefühle verstecken. Sie wissen genau, wann du schlecht drauf oder mit deinen Gedanken woanders bist. Es gibt so viel zu entdecken hinter diesen großen Augen, dass ein Menschenleben hierfür wahrscheinlich nicht ausreicht.“
Seit 2015 bietet das Ehepaar Jahl nun selbst Wanderungen mit Alpakas an und hat sich unter dem Firmennamen „Kunznickel Alpakas“ bereits eine große Fangemeinde erarbeitet. (Der Kunznickel ist ein kleiner Berg oder besser: Hügel gleich in der Nähe von Gelnhausen, 227 Meter hoch und gehört zum Ort Rodenbach) Die Jahls züchten auf ihrem Gelände in Oberrodenbach vor allem Suri-Alpakas, kümmern sich daneben aber auch noch um eine Skudden-Schafzucht, zwei Border Collies und fünf Katzen, wobei der tierische Bestand sich ständig erweitert. Zu den Wanderungen mit Alpakas werden nur maximal sechs Alpakas mitgenommen – Schafe, Hunde und Katzen bleiben zuhause. Aber auch ohne derartiges Begleitpersonal ist so eine Wanderung im idyllischen Vorspessart ein amüsantes Erlebnis. Was natürlich in erster Linie an den überaus knuffigen und durchaus eigenwilligen Tieren liegt. Wir erfahren: Alpakas haben einen sehr individuellen Charakter. Gemeinsam aber haben Sie, dass sie sehr unabhängig agieren, ihren eigenen Kopf haben und Hektik nicht mögen. Drum sagen die Jahls ihren Wandergästen als Erstes vor dem Start, dass man die Tiere einfach machen lassen muss, wenn sie stehen bleiben oder sich gleich mal frech auf den Boden schmeißen, was durchaus häufiger vorkommt: „Alpakas haben ihr ganz eigenes Tempo und strahlen dabei eine unglaubliche Ruhe aus.“ Es bringt also nichts, ungeduldig am Seil zu ziehen und Snickers, Hase (von Hastings) oder den schwarz-weißen und angeblich besonders durchsetzungsstarken Rüden Bruce Lee zur Eile anzutreiben. Das wird nicht funktionieren und ist außerdem ja auch gar nicht Sinn der Sache. Man soll schließlich in den Wäldern des Spessarts zur Ruhe kommen, auf die Natur um sich herum achten und das tun, was neuerdings als Königsdisziplin der chilligen Outdoor-Erfahrung gilt – Waldbaden nämlich, diese hohe Kunst der Total-Entschleunigung. Tatsächlich werden Alpakas wegen ihrer ruhigen und zugänglichen Art auch bereits erfolgreich als Therapietiere bei Depressionen, Autismus und Burnout eingesetzt.
Als Clowns hätten die Tiere allerdings auch gute Karrierechancen. Neugierig verfolgen sie alles, was ihre menschlichen Begleiterinnen und Begleiter auf der Wanderung treiben und wirken mit ihren kleinen Köpfen, den langen Hälsen und vor allem ihren ausdrucksstarken Augen wie wissende Botschafter aus einem entfernten Märchenland. „Alpakas reagieren sehr stark auf die Person, die es führt“ sagen die Jahls, „schlau wie sie sind, schätzen sie dich sehr schnell ein und testen deine Entschlossenheit. Aber es sind sanftmütige Wesen, die gern auf eine Wanderung eingeladen werden und auch gerne mitgehen, wenn man sich auf sie einlässt und nett behandelt.“ Dass alle Tiere ihren eigenen Kopf haben, erkennt man übrigens schon nach kurzer Zeit mit ihnen. Albert, der vierjährige Huacaya-Rüde trägt für sein Leben gern ständig ein Stöckchen im Maul. Der letzte Raucher im Spessart? Toblerone hingegen ist eine unerschrockene Dame, rast am liebsten mit ihren Schwestern über die Weide und gilt als ausgemachte Schönheit. Genau die richtige Begleitung also für Masserati (mit zwei s), der durch seine stolze Erscheinung der Chef bei den Jungs ist und passend dazu immer nur Mädels im Kopf hat...
Die Betreiber von „Kunznickel Alpakas“ haben einige unterschiedliche Wanderungen im Angebot. Neben der schon erwähnten „Winter Wonderland“-Route für die ganze Familie –es geht 3 Kilometer durch den Winterwald im Spessart – kann man sich im Laufe des Jahres auch noch für die „Into the Woods“- oder „Into the Weekend“-Touren anmelden, Getränke und Fütterung der Tiere sind auch da inklusive – nur nicht unbedingt der Glühwein... Eine letzte Information noch, weil das immer die erste Frage ist, wenn es um Alpakas geht: Nein, sie spucken nicht! Das tun nur die etwas größeren Lamas. Alpakas spucken Menschen in der Regel nicht an, sondern sich nur untereinander, um Rangfolgen abzuklären. Also keine Sorge – so eine Wanderung mit Alpakas im Spessart wird ein ungetrübtes und trockenes Vergnügen für die ganze Familie, vor allem aber: ganz großes Kino!
Mehr Infos zur Wanderung und den Alpakas gibt's hier.